Am Montag, dem 24. Oktober 2022 ging es um 8:00 Uhr am alten Bahnhof in Calw los. Reiseziel: Berlin. Die Fahrt lief relativ reibungslos ab und mit einer fünfzehnminütigen Verspätung kamen wir schließlich um 18:15 am Hotel Tiergarten in Berlin an. Den Abend hatten wir zur freien Gestaltung, um uns schon einmal selbst ins Großstadtleben zu „stürzen“.
Unser erster offizieller Programmpunkt am nächsten Tag – dem Dienstag – war der Besuch des Gedenkstätte des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Nach einstündiger Fahrt kamen wir dort an. Es regnete. Mit gemischten Gefühlen begaben wir uns zum Informationsgebäude. Leider fand keine Führung über das Gelände statt, sondern die Selbsterkundung mit Audioguides stand auf dem Plan. In Kleingruppen begaben wir uns also selbständig auf Erkundungstour. Die Atmosphäre war sehr bedrückend und färbte in kürzester Zeit auch auf die allgemeine Stimmung ab. Die Eindrücke waren für uns extrem: Was zuvor im Geschichtsunterricht fern und abstrakt wirkte, war nun auf einmal zum Greifen nah und wurde damit viel mehr realisiert. Die Lagerstraße, die das SS-Truppenlager vom Häftlingslager trennt, führt ins Zentrum des Konzentrationslagers, zum sogenannten Appellplatz. Ein mulmiges Gefühl, den gleichen Weg wie damals tausende Häftlinge entlangzulaufen. Noch bevor man das Häftlingslager durch das Tor mit der bekannten, zynischen Aufschrift ,,Arbeit macht frei“ durchquert, besucht man das Kommandantenhaus, das heute eine Ausstellung beherbergt. Diese Ausstellung widmet sich der persönlichen Verantwortung einzelner Täter und illustriert diese mit bewegenden Beispielen. Später, am Appellplatz angekommen, erblickt man einen riesigen Platz mit einigen kleineren Gebäuden. Umgeben ist dieser Platz von hohen Mauern und Wachtürmen. Innerhalb des Häftlingslagers besichtigten wir die Baracken, den Standort des Galgens, das Gräberfeld, den Erschießungsgraben, die Krematorien und Massengräber sowie den Leichenkeller. Nach ungefähr zweieinhalb Stunden hatten wir viele Eindrücke und Informationen über das Konzentrationslager Sachsenhausen und das spätere Sowjetische Speziallager an derselben Stelle gesammelt, die bei uns auch emotional einschlugen. Die Wartezeit bis zur Rückfahrt verbrachten wir im Informationszentrum, um das Gesehene weiter zu verarbeiten.
Nach einer eineinhalbstündigen Mittagspause stand am Nachmittag zur Abwechslung eine Radtour zu den touristischen Highlights von Berlin an. Es gab drei Gruppen, die jeweils ihren eigenen Guide hatten. Die Orte, die man besuchen wollte, konnte man sich vom Guide wünschen, der die Gruppe dann dorthin führte und noch Einiges zu den einzelnen Highlights zu sagen hatte. Die Radtour dauerte insgesamt drei Stunden. Nach der Radtour gab es eine zweistündige Pause, die man wieder individuell gestalten konnte, bis dann um halb acht der gemeinsame Besuch eines Improtheaters anstand. Dabei handelte es sich um eine Form des Theaters, bei der die Schauspieler kein Skript haben, sondern mit Ideen aus dem Publikum kleinere Geschichten und Dramen gestalten. Drei Schauspieler spielten dabei gegeneinander, wobei der lustigste gewann. Abgestimmt wurde durch Applaus.
Am Mittwoch unternahmen wir als erstes einen Ausflug in das Notaufnahmelager Marienfelde, wo wir auch ein Zeitzeugengespräch mit einem Geflüchteten aus der DDR führten. Das Notaufnahmelager in Marienfelde war eines der drei zentralen Lager für das Notaufnahmeverfahren für Deutsche aus der DDR in Ost-Berlin. Die Führung bildete die Phasen des Aufenthalts eines Geflüchteten aus der DDR im Aufnahmelager ab und uns wurde viel über die damalige Geschichte zur Zeit der Trennung von Ost- und West-Berlin erzählt. Dabei wurden uns Beispiele von geflüchteten Familien gezeigt und die unterschiedlichen Arten der Flucht erklärt. Darüber hinaus wurden uns die Phasen des Aufnahmeverfahrens in Ost-Berlin nähergebracht. Zudem wurden uns auch typische Zimmer gezeigt, wie sie den Geflüchteten damals als Unterkunft dienten. Es waren eher kleine Zimmer, in welchen man zu dritt oder auch zu viert wohnen musste, ohne eine richtige Dusche oder auch Küche. Nach der Führung hatten wir die Möglichkeit, ein Gespräch mit einem Geflüchteten aus der DDR zu führen. Die Zeitzeugen erzählten uns einerseits, wie schwer das Leben in der DDR war, aber andererseits wurde auch deutlich, dass die persönliche Erfahrung jedes Geflüchteten individuell und nicht immer eine ausschließlich negative war.
Am Nachmittag besuchten wir das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, das in der historischen Mitte von Berlin erbaut wurde und an die sechs Millionen Juden erinnert, die der nationalsozialistischen Herrschaft zum Opfer fielen. Zuerst besuchten wir das Stelenfeld des Mahnmals, das südlich des Brandenburger Tors liegt: Dort bekamen wir eine Führung, in der wir interessante Informationen über Errichtung und Intention des Merkmales erhielten. Die Ausstellung „Ort der Information“ unterhalb des Stelenfelds ergänzte diese Informationen.
Am Donnerstag machten wir uns um 9:30 Uhr auf den Weg zum Bundesrat. Da wir etwas zu früh dort ankamen, hatten wir noch etwas Freizeit, um die gegenüberliegende „Mall of Berlin“ zu besuchen. Rechtzeitig trafen wir uns wieder vor dem Bundesratsgebäude, wo uns eine freundliche Frau zur Führung durch das Gebäude und seine Geschichte empfing. Außerdem erklärte sie uns auch die zeitgenössischen Kunstobjekte, die heute Teil des Gebäudes sind. Anschließend machten wir uns auf den Weg auf die Tribüne des Bundesrats, von wo wir einen guten Blick auf den Versammlungsraum hatten. Dort erklärte uns unsere Führerin das System des Bundesrats und seine Funktion im politischen Gefüge der Bundesrepublik und zeigte uns die Positionen der jeweiligen Bundesländer im Saal. Dabei stellte sie unser Wissen mit ein paar Fragen auf die Probe. Als wir dann den Abstimmungssaal betraten, spielten wir ein Rollenspiel, bei dem sich jeder in Zweiergruppen einem Bundesland zuordnen sollte, um anschließend über ein Gesetz abzustimmen. Es gab neben den Bundesländern, die je nach Größe unterschiedlich viele Stimmen hatten, auch die Rollen des Abstimmungsleiters und zwei Auswerter. Wir haben an diesem Tag über die Legalisierung von Cannabis „abgestimmt“ und ihre Rahmenbedingungen, wobei viele kreative Änderungs- und „Verbesserungsvorschläge“ eingebracht wurden. Um zwölf Uhr war unser Aufenthalt im Bundesrat vorbei und wir machten uns auf den Weg zum nächsten Programmpunkt des Tages.
Dieser beinhaltete nach dem Besuch des Bundesrates nun noch den Besuch des Bundestagsgebäudes und dessen offizieller Kantine, in der einige unserer wichtigsten Politiker essen. Nach kleineren Komplikationen beim Security-Check wurden wir zügig in die Kantine eingewiesen. Nach dem Essen gingen wir durch einen unterirdischen Tunnel zum Reichstagsgebäude, wo wir nach einer kurzen Wartezeit in den Plenarsaal eingewiesen wurden. Unsere Stufe wurde aufgeteilt und wir wurden aufgefordert Platz zunehmen. In einem Vortrag erfuhren wir Allgemeines über den Bundestag sowie einige historische Fakten. Außerdem beantwortete die Referentin ständig die vom Publikum gestellten Fragen. Nach einer Stunde Vortrag ging es weiter in einem Raum, in dem uns der Stellvertreter der Calwer SPD-Abgeordneten und Parteivorsitzenden Saskia Esken erwartete. In einer Fragerunde versorgte er uns mit dem Wissen eines Politikers. Nach diesem eineinhalbstündigen Vortrag beendeten wir den Tag mit Sightseeing auf dem Dach des Reichstagsgebäudes.
Am darauffolgenden Tag kamen wir abends nach einer Rückfahrt mit einigen kleineren Staus um 18:30 wieder in Calw an. Das Wochenende in der idyllischen Schwarzwaldheimat konnten die müden Heimkehrer*innen nun gut gebrauchen, um sich von dieser ereignis- und eindrucksvollen Woche in der Großstadt zu erholen. (Bericht: Schüler*innen der J2)